Die Stadt Kirchhain und der Heimat- und Geschichtsverein Kirchhain e.V. luden zur Einweihung des Denkmals vor dem Jüdischen Friedhof ein.
Das Monument soll an die Teilzerstörung der Synagoge und an die zahlreichen jüdischen Bürgerinnen und Bürgern und ihre Geschichte in Kirchhain erinnern.
„Das Monument „Archiv“ verbindet Geschichte, Erinnerung, Kunst und Lehre. Eine hervorragende Symbiose für einen Schulstandort“, stellt Bürgermeister Olaf Hausmann in seiner Rede fest und lobte den Standort des Monumentes. Immerhin gehen tägliche mehrere hunderte von Schülerinnen und Schüler an dem Monument vorbei.
In seiner Rede erklärte dankte Hausmann der Familie Beckmann aus Kirchhain, die die Steine zurück nach Kirchhain gebracht haben:
Die Steine stammen aus einem Nachlass von Reinhard Beckmann aus Berlin. Er hat sie von seinen Eltern Erika und Josef Beckmann, die 1932 nach Kirchhain gezogen sind, erhalten und aufbewahrt. Im Jahr 2019 hatte Reinhard Beckmann über Kirchhains Ehrenbürger Willibald Preis die Steine an die Stadt Kirchhain übergeben.
Es handelt sich bei den Steinen um Reste eines großen Fensters und einer kleineren Säule aus der geschändeten Synagoge. Die Steine der zerstörten Synagoge – und somit auch die in dem Moment befindlichen - sollten seinerzeit auf eine Deponie transportiert werden. Der Vater von Reinhold Beckmann hatte damals die Steine an sich genommen.
Stadt und Verein überlegten, wie die Steine der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Geschichte und die Erinnerungskultur sowie die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern beiden Institutionen sehr am Herzen liegen. Schließlich schrieb die Stadt im Jahr 2020 einen Kunstwettbewerb aus, bei dem der Entwurf des Würzburger Künstlers Matthias Braun den 1. Platz belegte.
Matthias Braun freute sich, dass die Einweihung nun vollzogen wurde und das Monument seiner Bestimmung übergeben wurde. „Das Schöne an meinem Projekt ist, dass es sich durch die wechselnden Bilder und Beschreibungen immer wieder entwickelt. Und es ist gut, dass in Kirchhain ein Zeichen gesetzt wird, was angesichts von Wahlergebnissen wie vor kurzem in Sachsen-Anhalt eminent wichtig sei.“. Auch Braun hob den Standort in der Nähe der Schule besonders hervor: „Gerade die jungen Generationen sollen aus der Geschichte lernen und dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.“
„Mir persönlich liegt die Umsetzung des Projektes- genau wie die jährlichen Stolpersteinverlegungen - besonders am Herzen. Die Schrecken des Zweiten Weltkriegs und der Holocaust rücken zeitlich in immer weitere Ferne. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung an die Verbrechen der Nationalsozialisten wachzuhalten und sich aktiv mit der Thematik auseinanderzusetzen“ erklärte Kerstin Ebert, die Vorsitzende des Heimat- und Geschichtsvereins Kirchhain Kerstin Ebert.
Die Realisierung des Projektes und die damit verbundene Finanzierung prägte in den letzten Wochen die Arbeit des Vereins.
Laut Vorgabe des Stadtparlamentes mussten die Kosten für die Umsetzung des Projektes in Höhe von rund 50.000 Euro über Spenden- und Fördergelder erfolgen. Zahlreiche Bürger/innen, Banken und Firmen haben für das Monument gespendet. Auch durch Nachfahren ehemaliger jüdischer Bürger kam die stolze Summe von rund 10.000 Euro zusammen. Je 5.000 Euro aus Vereinsmitteln haben der Heimat- und Geschichtsverein sowie der Förderverein Kirchhainer Kulturdenkmäler zur Verfügung gestellt.
Viel Lob für das Projekt kam von verschiedenen Ministerien von Bund und Land sowie weiteren Institutionen. Fördergelder wurden für das Projekt aber nicht ausgeschüttet. Lediglich das Wissenschaftsministerium überwies zumindest eine „kleinere“ Vereinsförderung.
Unterstützt wurde das Projekt aber finanziell sowohl von der Bosch Stiftung mit ihrem Projekt „Cents for Help“ sowie vom Landkreis. Außerdem stellte Eintracht Frankfurt ein signiertes Trikot zur Verfügung, dessen Versteigerung 1 000 Euro brachte.
Mit Steinmetz- und Tiefbauarbeiten unterstützten die Kirchhainer Firmen Eufinger und Geissler mit Joachim Eufinger und Armin Grutschus die Umsetzung des Projektes.
Landrätin Kirsten Fründt hob das hohe Engagement der Stadt und des Vereins hervor. „Es ist immer wieder schön zu sehen, wie engagiert ihr hier in Kirchhain seid und wie sehr euch die Geschichte der jüdischen Familien am Herzen liegt. Dies ist besonders wichtig vor dem Hintergrund, dass Schüler oft nicht so richtig gut informiert sind“ und sich im Klaren sein müssten, dass es Hass und Zerstörung auch vor Ort gegeben habe.
In den kommenden Tagen wird noch eine Ruhebank neben dem Monument aufgestellt, die vom stellvertretenden Vorsitzen des Heimat- und Geschichtsvereins Klaus Hesse gespendet wird.
Die musikalische Umrahmung wurde durch das Allphones Quartett der Alfred-Wegener-Schule gestaltet. Die Mitglieder der Schüler-AG „Stolpersteine“ und ihre Lehrerein Barbara Sonnenberger berichteten in Auszügen über die Geschichte der Synagoge in Kirchhain:
Die Synagoge war 1904 eingeweiht worden. 70 bis 80 jüdische Familien lebten damals in Kirchhain – von denen nur eine nach dem Zweiten Weltkrieg zurückkehrte, aber die Stadt dann auch wieder verließ. Fabian Wilhelm und Madelaine Stahl zitierten Max Haas, der im Alter von 23 Zeuge des Übergriffs von SS-Männern und Hitlerjungen auf die Synagoge gewesen war. Er musste beobachten, wie sie die Synagoge demolierten „und die Volksmenge hat drumrum gestanden und jedes Mal gejubelt, wenn so ein Riesenleuchter runtergeholt worden ist“.
Heute befindet sich die Synagoge in Privatbesitz und wird als Wohnung genutzt.
Ausführliche Informationen hierzu sind der Tafel im Monument nachzulesen.
Nun liegt die Hoffnung aller Verantwortlichen, dass das Monument in den nächsten Jahren die Besucherinnen und Besucher immer wieder zum Nachdenken anregt, neu informiert und gleichzeitig für das Thema sensibilisiert.
Matthias Braun trug sich am Ende der Veranstaltung noch in das Goldene Buch der Stadt Kirchhain ein. Eine Ehrung, die den Künstler aus Würzburg sehr stolz machte.